Rechtsanwälte Köker und Stodte
Bielefeld Sennestadt
☎ 05205 20094
Für ein Ehescheidungsverfahren müssen einige Voraussetzungen vorliegen. Im günstigsten Fall mindestens:
1. Die Eheleute leben mindestens ein Jahr dauernd getrennt. Das kann auch innerhalb einer gemeinsamen Wohnung geschehen. (Ausnahmen von dem Erfordernis des einjährigen Getrenntlebens liegen nur sehr selten vor und müssen in jedem Einzelfall festgestellt werden. Sie sollen deshalb hier nicht weiter behandelt werden.)
2. Beide Eheleute wollen geschieden werden. (Falls ein Ehepartner nicht geschieden werden will, verhindert das zwar nicht grundsätzlich die Ehescheidung nach einem Jahr des Getrenntlebens. In diesem Fall muss aber für jeden Einzelfall untersucht werden, ob und ggf. wann trotz des Widerspruchs des anderen Ehepartners die Ehescheidung erfolgen kann. Wegen der erforderlichen eingehenden Einzelfallprüfung soll hierauf an dieser Stelle ebenfalls nicht weiter eingegangen werden.)
Liegen die genannten Voraussetzungen vor, kann der Ehescheidungsantrag gestellt werden. Das geschieht, indem der Antrag von einem Rechtsanwalt/einer Rechtsanwältin (sinnvoller Weise: Fachanwalt/Fachanwältin für Familienrecht) für einen der beiden Eheleute schriftlich bei dem zuständigen Familiengericht eingereicht wird.
Wichtig:Ob es sinnvoll ist, selbst keinen Fachanwalt/keine Fachanwältin für Familienrecht zu beauftragen, muss dieser Ehepartner für sich selbst entscheiden. Aus unserer Sicht ist es das in keinem Fall, auch dann nicht, wenn "ja alles klar" ist. Man verzichtet damit auf eine umfassende anwaltliche Beratung. Das betrifft im schlechtesten Fall sogar möglicherweise gerade solche Themen, die man ohne anwaltliche Beratung als unproblematisch einschätzt, obwohl dringender Regelungs- und Handlungsbedarf besteht. Bevor Sie sich entscheiden, das von dem anderen Ehepartner eingeleitete Scheidungsverfahren ohne eigene anwaltliche Beratung und Vertretung zu bestreiten, denken Sie hierüber bitte noch einmal in aller Ruhe eingehend nach!
Mit der Ehescheidung ist der Versorgungsausgleich durchzuführen (auch hier gibt es Ausnahmen, auf die hier nicht weiter eingegangen werden soll, z. B.: Wirksamer (!) Ausschluß des Versorgungsausgleichs durch Ehevertrag, kurze Ehedauer). Mit dem Versorgungsausgleich werden sämtliche Rentenansprüche (gesetzliche Rentenversicherung, betriebliche und private Rentenansprüche) hälftig aufgeteilt, die während der Ehe entstanden sind. Hierzu werden durch das Familiengericht von den beteiligten Rentenversicherungsträgern Auskünfte eingeholt. Die Ehescheidung spricht das Familiengericht in der Regel erst dann aus, wenn auf der Grundlage dieser Auskünfte der Versorgungsausgleich durchgeführt werden kann. Ehescheidungsverfahren dauern häufig deshalb sehr lange, weil die Auskünfte nicht oder nicht vollständig vorliegen, was wiederum häufig daran liegt, dass der Versicherungsverlauf in der gesetzlichen Rentenversicherung Lücken oder Unklarheiten aufweist, die erst durch weitere Rückfragen und Ermittlungen aufgeklärt werden müssen. Auch die Ermittlung und Klärung von im Ausland erworbenen Rentenansprüchen nimmt erfahrungsgemäß viel Zeit in Anspruch.
Liegen die Scheidungsvoraussetzungen vor und kann insbesondere auch der Versorgungsausgleich durchgeführt werden, findet dann auf jeden Fall eine mündliche Verhandlung vor dem Familiengericht statt, in der das Gericht durch Anhörung beider Eheleute feststellen muss, dass mindestens die o. g. genannten Voraussetzungen der Ehescheidung vorliegen. Ein Rechtsanwalt muss außerdem in der Verhandlung den Ehescheidungsantrag stellen.
Wichtig:Zum einen ist es aus unserer Sicht wenig sinnvoll, einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin lediglich per Internetformular damit zu beauftragen, das Ehescheidungsverfahren einzuleiten. Der zu beauftragende Anwalt/die zu beauftragende Anwältin müssen, wenn sie ihren Auftrag ernst nehmen, die persönlichen Verhältnisse ermitteln und zu den sich daraus ergebenden Fragen und Problemen (Ehegattenunterhalt, Kindesunterhalt, Versorgungsausgleich, Zugewinnausgleich und sonstiger Vermögensausgleich, Sorgerecht für die Kinder, Umgangs- und Besuchsrechte der Eltern mit den Kindern, Hausrat- und Wohnungsteilung. möglicherweise steuerliche Aspekte usw.) beraten. Man kann sich leicht vorstellen, dass das ohne ein persönliches Gespräch mit dem Anwalt/der Anwältin kaum machbar ist. Außerdem: Wer will schon gern per Internetformular einer Anwältin/einem Anwalt, den er/sie ausser auf dem Internetfoto nie zu Gesicht bekommen hat, intime persönliche Dinge mitteilen, neben Fragen zu Einkommen und Vermögen z.B. zur persönlichen Beziehung zu den gemeinsamen Kindern oder zu der möglicherweise nicht unwichtigen Frage, weshalb die Trennung erfolgt ist bzw. die Scheidung durchgeführt werden soll usw.
Zum anderen: Eine Ehescheidung ohne Gerichtsverfahren gibt es nicht. Auch muss zwingend eine mündliche Verhandlung mit persönlicher Anhörung beider Eheleute vor dem Familiengericht stattfinden. Das ist gesetzlich in § 128 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen so vorgeschrieben. Allenfalls, aber das steht im Ermessen des Familiengerichts, kann diese Verhandlung in der Weise durchgeführt werden, dass Beteiligte per Videokonferenz "zugeschaltet" werden. Von dieser Möglichkeit machen die Familiengerichte allerdings nur sehr zurückhaltend nach Überprüfung im Einzelfall Gebrauch, z. B. bei Wohnsitz im Ausland oder sonst sehr großer Entfernung zwischen Wohnort und Gerichtsort, zwingende berufliche Unabkömmlichkeit, längerdauernde schwere Krankheit mit Mobilitätseinschränkung usw. Auch sind bei etlichen Gerichten die technischen Möglichkeiten hierfür nicht oder nur mit Schwierigkeiten (zusätzliches Personal für die Bedienung) verfügbar.
Kurz und einfach: "Online-" oder "Internetscheidungen", die ihren Namen verdienen würden, gibt es nicht.
Hinzu kommt: Häufig wird die "Onlinescheidung" oder "Internetscheidung" mit dem Hinweis auf einen angeblichen Kostenvorteil beworben. Auch das ist mindestens mißverständlich: Gerichts- und Anwaltskosten sind gesetzlich vorgeschrieben. Der beauftragte Rechtsanwalt kann mit seinem Mandanten zwar höhere als die gesetzlich vorgeschriebenen Gebühren vereinbaren. Eine geringere als die gesetzlich vorgeschriebene Rechtsanwaltsvergütung darf aber für das gerichtliche Verfahren nicht vereinbart werden. Auch das ist gesetzlich vorgeschrieben in § 4 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes. Dass über die Höhe der Gerichtskosten nicht verhandelt werden kann, ergibt sich ebenfalls aus den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften und versteht sich aber mehr oder weniger auch von selbst.